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Interview mit Beate Rösler - "Helenes Versprechen"

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                       im Gespräch mit    Beate Rösler

                                                                                                                                                 zu ihrem neuen bewegenden Roman

 

 "Helenes Versprechen"


© privat / Bildquelle: www.aufbau-verlag.de
© privat / Bildquelle: www.aufbau-verlag.de

Beate Rösler wurde 1968 in Essen geboren und studierte Rechtswissenschaft und romanische Sprachen in Berlin.

 

Sie ist Übersetzerin und arbeitete viele Jahre als Deutschlehrerin am Goethe-Institut in Frankfurt am Main sowie in Neu-Delhi (Indien) und Hanoi (Vietnam).

 

Im Aufbau Verlag sind bisher ihre Romane „Die Reise des Elefantengottes“ und „Die Töchter des Roten Flusses“ erschienen.


Dani von BuchstabenZauber:

Hallo Beate, vielen Dank, dass ich dir ein paar Fragen zu deinem im Januar erschienenen Buch “Helenes Versprechen” stellen darf.
Deine Leser erwartet wieder ein sehr historisch geprägter Roman, in dem du die Vergangenheit aufarbeitest und Geschichte greifbarer, präsenter machst und gleichzeitig gegen das Vergessen unbeschreiblicher Taten erinnerst.
Wie kam dir die Idee dazu, diesmal dein Buch vor und während der Nazi-Herrschaft und in den Nachkriegsjahren anzusiedeln und aus der Sicht der jüdischen Bevölkerung zu berichten?

 

Beate Rösler:
Nachdem mein Buch „Die Töchter des Roten Flusses“ erschienen war, fragte mich der AufbauVerlag, ob ich eine neue Romanidee hätte, historischer Art, im Mittelpunkt eine interessante Frauenfigur.

Zum damaligen Zeitpunkt lebte ich mit meiner Familie noch in Vietnam, wusste aber schon, dass wir bald nach Frankfurt am Main zurückkehren würden.

Nun ist es so, dass ich, wenn ich eine Handlung entwickele, ganz gerne aus der Haustür trete und durch die Straßen laufe, in denen die Geschichte spielt – auch wenn sich die Orte verändern.

So entschied ich mich, meine Geschichte diesmal in Frankfurt anzusiedeln, in den Jahren des Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren.

Diese Zeiten haben mich schon als Kind beschäftigt, wohl, weil meine Mutter viel darüber gesprochen hat. „Das Tagebuch der Anne Frank“, der Roman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ und auch Filme wie „Ein Stück Himmel“ von Janina David oder die amerikanische Serie „Holocaust“, die 1979 zum ersten Mal in Deutschland ausgestrahlt wurde, hinterließen bei mir tiefe bleibende Eindrücke.

Mein Interesse an dem Thema hat nie nachgelassen. Bei meinen Recherchen stieß ich auf die jüdische Frankfurter Kinderärztin Antonie Sandels, die ich dann vor Augen hatte, als ich die Figur meiner Protagonistin Helene Bornstein schuf.

 

Dani:
Recherchiert man z.B. auf Wikipedia, erfährt man, dass die Geschichte des jüdischen Glaubens seit jeher von sehr viel Leid geprägt ist. Juden wurden nicht erst seit dem 2. Weltkrieg und unter der Führung von Hitler vertrieben, gedemütigt und von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Was hat es für dich als Autorin bedeutet, dich mit einem dieser vielen ungeschriebenen Schicksale persönlich intensiv auseinanderzusetzen?

 

Beate Rösler:
Zunächst einmal rückt Geschichte näher, wenn man sich mit einer realen Person beschäftigt.

Je intensiver ich mir den Lebensweg von Antonie Sandels vorgestellt habe, desto konkreter wurden die Fragen, denen ich nachspüren wollte.

Was hieß es denn, zu jener Zeit Kinderärztin zu sein und durch die Nazis sowohl das eigene Leben als auch das der kleinen Patient*innen immer stärker bedroht zu wissen?

Wie hat sie tägliche Repressalien und Verfolgung ertragen, ohne die Hoffnung zu verlieren?

Emigrieren oder in Deutschland bleiben – was gab wohl den Ausschlag für diese Entscheidung?

Und wie schafft man es, nach jahrelangen schrecklichen Erfahrungen, ein neues Leben aufzubauen?

In meinem Buch orientiere ich mich am Leben der realen Kinderärztin, aber da es ja ein Roman ist, geht Helene Bornstein ihre ganz eigenen Wege.

Als Autorin erschaffe ich mit einem Charakter eine ganze Welt, in der die Figur ihre persönliche Geschichte lebt, eingebettet ist in ein Netz aus Beziehungen sowie in die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Helene Bornstein wird Anfang des 20. Jahrhunderts geboren und will Ärztin werden, was damals noch nicht selbstverständlich war.

Als Jugendliche erlebt sie den Ersten Weltkrieg und nachfolgend die Weimarer Republik, die Modernisierung und neue Perspektiven, gerade auch für Frauen, verspricht.

Sie lebt ihr Leben, hat Familie, Freundschaften, Träume und Ziele, Liebeswirren, gute und schlechte Momente wie wir alle.

Dass sie Jüdin ist, wird für sie erst in besonderer Weise relevant, als sich durch den Beginn der Hitlerherrschaft ihr Leben dramatisch verändert. Von jenen Zeiten aus Helenes Perspektive so greifbar und authentisch wie möglich zu erzählen, das war mein Anliegen.
Dabei habe ich auch von Frankfurt neue Seiten kennengelernt. Zum Beispiel war mir die Internationale Arbeiterolympiade neu, die 1925 hier stattfand und in meiner Geschichte für Helene und ihren Freund Leon eine Rolle spielt.

Auch wusste ich nichts von dem Kinderhaus, in dem sich Dr. Antonie Sandels um jüdische Kinder kümmerte, bevor diese deportiert wurden und sie selbst mit knapper Not entkam.

In unmittelbarer Nähe steht heute ein Mahnmal, das kurz die Geschichte seiner Bewohner*innen erzählt. Auf meiner FB-Autorenseite gibt es einige Fotos dazu.
Diese Schicksale haben mich sehr berührt und sie fließen – in abgewandelter Form – in meinen Roman ein.


Fußballspiel Deutschland gegen Finnland bei der Arbeiterolympiade 1925:

Bildquelle: www.wikipedia.org / Buch: "Bewegung, Kultur und Alltag im Arbeitersport" von Seppo Hentilä, Seite 45
Bildquelle: www.wikipedia.org / Buch: "Bewegung, Kultur und Alltag im Arbeitersport" von Seppo Hentilä, Seite 45

Beate Rösler:

Ich möchte nochmal darauf zurückkommen, dass du gesagt hast, die jüdische Geschichte sei mit viel Leid verbunden. Auch heutzutage kommen aus der extrem rechten Ecke Töne, die mich schaudernd an vergangene Zeiten denken lassen.
Dabei gab es immer schon Phasen, in denen die jüdische Bevölkerung in Deutschland gut integriert gewesen ist.

Im Jahre 1923, das Jahr, in dem wir Helene kennenlernen, zweifelt diese nicht daran, dass dies auch so bleibt.

Ihr Freund Leon sieht das anders, und ihr Vater ist vorsichtig.

Er hat während des Ersten Weltkrieges miterlebt, dass, als der Sieg auf sich warten ließ und die Not größer wurde, so mancher Offizier die Schuld daran jüdischen Soldaten zuschob.

Andererseits ist er vom Rechtsstaat der Weimarer Republik überzeugt und davon, dass dessen Gesetze ihn und seine Familie schützen.

Seit Generationen leben die Bornsteins in Deutschland und die Situation für Juden hat sich – trotz aller nie gänzlich verschwundenen Vorurteile – erheblich verbessert.

Rechtlich sind sie gleichgestellt, können ihren Wohnort frei wählen und haben viel mehr Möglichkeiten, Berufe auszuüben, die ihnen lange verwehrt worden waren.

In Frankfurt/ Main waren jüdische Bürger*innen maßgeblich daran beteiligt, die Infrastruktur der Stadt aufzubauen: Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Altenheime, die Universität, vieles wurde auch mit ihren Geldern finanziert.

Errungenschaften in der Medizin und Wissenschaft, aber auch ein lebendiger Kulturbetrieb wären ohne sie nicht denkbar gewesen. Wie viele andere glaubt Helene, selbstverständlich zur deutschen Gesellschaft dazuzugehören. Doch die Nationalsozialisten, kaum an der Macht, zerstören die Demokratie und berauben diejenigen, die ihnen nicht passen, ihrer Rechte.
Während ich an „Helenes Versprechen“ schrieb, gab es Anschläge wie den auf die Synagoge in Halle, aber auch in anderen Städten. Ich habe den Eindruck, dass antisemitisches Gerede wieder salonfähig ist. Die letzten Zeitzeugen werden bald nicht mehr da sein, um ihre Geschichte zu erzählen, da brauchen wir Bücher und Filme, um nicht zu vergessen, was damals geschehen ist. Damit wir uns daran erinnern, dass wir uns für unsere Demokratie einsetzen müssen und uns einander mit Respekt begegnen sollten. Dazu möchte ich mit meinem Buch einen kleinen Beitrag leisten.
„Helenes Versprechen“ habe ich meiner Mutter und meiner Tochter gewidmet.

Vielleicht war mir auch dies ein Anliegen: den Bogen des Erinnerns in meiner Familie zu spannen.

 

Dani:
“Helenes Versprechen” beinhaltet 2 Handlungsorte: New York und Frankfurt am Main.
Bist du zu Recherchezwecken auch nach New York gereist oder hast du vor Ort recherchiert?
Die Geschichte von Helene steht stellvertretend für viele jüdische Bürger zur Hitlerzeit und beruht auf wahren Begebenheiten.
Wie kann sich der Leser die Recherche zu deinen Büchern vorstellen, welche Möglichkeiten hast du ausgeschöpft, um deine Geschichte so realistisch wie möglich zu schreiben?

 

Beate Rösler:
Ich kenne New York, aber für meine Recherche hingeflogen bin ich nicht.

Allerdings habe ich über den Stadtteil Washington Heights, in den Helene wie viele jüdische Emigranten zieht, detaillierte Beschreibungen, Bildbände und Filme gefunden, die mir geholfen haben, ein Gefühl für den Ort zu entwickeln.

In Frankfurt habe ich all die Plätze und Straßen, die für Helene eine Rolle spielen, aufgesucht.

Ich habe Stolperstein-Spaziergänge gemacht, Museen und Ausstellungen besucht, die sich mit der Frankfurter Geschichte beschäftigen und viele Nachmittage im Institut für Stadtgeschichte verbracht, wo ich Fotos und Zeitungen aus den dreißiger und vierziger Jahren einsehen konnte.

Besonders hilfreich und berührend waren Gespräche mit einigen Zeitzeugen.

Mit Pfarrer Mahnkopp, der viele Jahre zu dem jüdischen Kinderhaus geforscht hat, habe ich mich getroffen sowie mit zwei Vertreterinnen des Vorstands des Clementine-Kinderhospitals, dem Krankenhaus, in dem Helene Bornstein nach ihrem Studium als Ärztin tätig ist.

Sie alle haben dazu beigetragen, dass ich mir Orte und Menschen realistisch vorstellen konnte.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich meine Mutter. Sie ist 90 Jahre alt und hat ein wirklich gutes Gedächtnis. Sie hat mir viele Details aus dem damaligen Alltagsleben nahegebracht.

 

Dani:

Du hast bisher 3 Bücher im Aufbau Verlag veröffentlicht, alles sehr einnehmende, geschichtsträchtige und seitenumfassende Werke, aber auch Einzelbände.
Könntest du dir auch vorstellen eine Trilogie oder Buchreihe zu veröffentlichen?

 

Beate Rösler:
Grundsätzlich ja.

Es ist sicher spannend, Figuren über mehrere Bände zu begleiten und weiter zu entwickeln.

Andererseits habe ich mich zwei Jahre ausgiebig mit Helene und Co beschäftigt, ständig haben sie meinen Alltag begleitet. Und nicht nur meinen, auch beim Abendessen mit meiner Familie oder beim Spaziergang mit Freundinnen waren sie oft dabei.

Jetzt, da Helenes Geschichte mit der Veröffentlichung meines Buches auf den Weg gebracht worden ist, ist es auch eine schöne Vorstellung, mich neuen Charakteren zuzuwenden.

 


Buchinfo:

 

Bildquelle: www.aufbau-verlag.de  Klappentext: www.aufbau-verlag.de
Bildquelle: www.aufbau-verlag.de Klappentext: www.aufbau-verlag.de

Um ihren Sohn zu retten,

muss sie sich von ihm trennen

 


New York, 1947:

Die in die USA emigrierte Kinderärztin Helene Bornstein sieht nach beinahe zehn Jahren ihren Sohn Moritz wieder.

Damals hatte sie ihn mit einem Kindertransport aus Frankfurt fortgeschickt. Jetzt ist Moritz seiner Mutter fremd geworden, aber ihr Versprechen hat er nie vergessen.

Gelingt es den beiden, wieder zueinander zu finden?

Und wird Helene Fuß in New York fassen, obwohl sie die Kinder, die ihr während des Krieges anvertraut worden waren, nicht vergessen kann?

 

Da trifft sie eines Tages Leon, ihre erste Liebe, wieder.

 

 


Ein bewegender Roman -

inspiriert von der wahren Geschichte einer jüdischen Kinderärztin

 


Dani:
Und noch eine Gemeinsamkeit verbindet deine Geschichten: die Handlungsorte deiner Romane Neu- Delhi (Indien), Hanoi (Vietnam) und Frankfurt am Main hast du nicht nur besucht, sondern auch tatsächlich eine Zeitlang dort gelebt.
Hast du vor die nächsten Jahre wieder umzuziehen? 😉
Und können wir eventuell dadurch schon Rückschlüsse auf einen neuen Roman ziehen?

 

Beate Rösler:
Letztlich weiß man ja nie, was das Leben so bringt.

Deshalb würde ich einen weiteren Umzug nicht ausschließen, aber geplant ist zurzeit nichts.

Meine Tochter soll erst einmal die Schule beenden, dann schauen wir weiter.

Im Moment bin ich froh, nur noch zwei Zugstunden von meiner Mutter entfernt zu wohnen, und ich genieße es, meine langjährigen Freundschaften in Deutschland nicht vorwiegend über Skype und E-Mail zu pflegen – wobei das in diesen Corona-Zeiten ja auch gängige Mittel sind, um mit Familie und Freund*innen zu kommunizieren.

Dani:
Du hast einige Jahre, wie schon erwähnt, im asiatischen Ausland gewohnt und verschiedene Kulturen kennengelernt.
Gibt es Dinge nach deiner Rückkehr nach Deutschland, die du besonders vermisst?
Vielleicht auch Eigenschaften oder Gegebenheiten, die du an der deutschen Kultur kritischer, aber auch positiver im Vergleich siehst?

 

Beate Rösler:
Genau darüber habe ich tatsächlich letztens mit meinem Mann und meiner Tochter gesprochen.

Was ich vermisse, ist das unglaublich trubelige Leben auf den Straßen, die Wärme, aber auch das Geräusch des starken Regens.

Ich mag es, von anderen Sprachen umgeben zu sein und zumindest zu versuchen, sie zu lernen. Dadurch habe ich viele nette Menschen kennengelernt, und die meisten honorieren es, wenn man sich diese Mühe macht.

Auch wenn ich in Delhi und Hanoi meinen ganz normalen Alltag hatte, so war dieser stets von einer gewissen Spannung begleitet.

Jeder Einkauf konnte zum Abenteuer werden. Ich bin bestimmt aufmerksamer und wacher durch die Straßen gegangen, als ich es hier in vertrauter Umgebung tue.

Aber tatsächlich habe ich durch die Jahre in Asien auch in Deutschland einiges mehr zu schätzen gelernt.

Zum Beispiel, dass hier die Luft im Vergleich zu Delhi und Hanoi sehr sauber ist.

Ebenso das Wasser, das selbstverständlich und sauber aus dem Wasserhahn fließt.

Und dass wir eine gut funktionierende Demokratie haben, in der jede/r sagen kann, was ihm oder ihr nicht passt. Das ist in Vietnam nicht selbstverständlich.

Kritischer sehe ich in Deutschland den Hang zum Nörgeln. Der Alltag vieler Menschen in Indien und Vietnam ist so viel anstrengender als hier – dennoch wird über Beschwerliches viel weniger gejammert.

 

Dani:
Zum Schluss noch einmal die Frage: was erwartet deine Leser? Auf welche Geschichte können wir uns freuen oder welche Thematik möchtest du gerne intensiver beleuchten und erforschen?
Und für die ganz neugierigen Leser: wann können wir mit einem neuen Roman von dir rechnen?

 

Beate Rösler:
Meine neue Geschichte wird noch einmal in Frankfurt spielen und in Paris, während der sechziger und siebziger Jahre. Es ist die Zeit der Studentenunruhen, die aus dem Protest gegen den Vietnamkrieg entstanden sind, aber auch weil die jungen Leute wissen wollten, auf welcher Seite ihre Eltern in der Zeit des Nationalsozialismus standen.

Ich knüpfe an die Geschichte zweier Charaktere an, die in meinem aktuellen Roman eine Rolle spielen.

Da ich immer eine ganze Weile für meine Recherchen brauche, wird es wohl aber noch ein wenig dauern, bis diese Geschichte geschrieben ist.

Dani:
Vielen lieben Dank Beate für das ausführliche Beantworten meiner vielen Fragen & den Blick hinter die Kulissen - von der aufwendigen Recherche, neuen Buchprojekten & Co.


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Weitere Informationen zum Buch findet ihr auf der Verlagsseite vom Aufbau Verlag.

Viel Spaß beim Lesen!

 


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